Dreilagenkamm mit Futteral


Dreilagenkämme der Wikingerzeit

Wie für fast alle Fundgruppen hat die Archäologie auch für die Dreilagenkämme der Wikingerzeit eine eigene Typologie aufgestellt. Dreilagenkamm ist also nicht Dreilagenkamm und auch nicht jeder "Wikingerkamm" passt in jedes Jahrhundert der Wikingerzeit. Zu Details der Chronologie und Typologie sollte man in der unten genannten Literatur nachlesen.

Größere Fundplätze wie Haithabu, Ribe oder Birka beinhalten dementsprechend ein großes Spektrum an verschiedenen Kämmen, die auch unterschiedliche Herkunft repräsentieren können. Allerdings scheinen in Haithabu dennoch verschiedene "Regionaltypen" hergestellt worden zu sein.

Der hier vorgestellte Nachbau ist nach einem Kamm aus Haithabu gestaltet. Sämtliche Typen folgen jedoch den gleichen Konstruktionsprinzipien.

Diese Anleitung soll außerdem auch noch das passende Futteral für den Kamm mit einschließen. Auch hier gibt es mehrere Konstruktionsformen. Die hatten anscheinend aber mehr mit der Größe der verfügbaren Reststücke zu tun. Es ist hierbei zu überlegen, ob Kammfutterale evtl. geschlechtsspezifisch waren. Die Kammfutterale aus dem Gräberfeld von Birka stammen allesamt aus Männergräbern. Kämme kommen jedoch unbeachtet des Typs in Männer- und Frauengräbern vor. Ähnliche Untersuchungen von anderen Gräberfeldern sind mir momentan nicht bekannt.


   

   


Rohmaterial

Für die gesamte Wikingerzeit gilt: Knochen ist kein Rohmaterial für Kämme!!! Vergleicht man zum Beispiel die Kämme aus Haithabu und Schleswig kann man erkennen, dass für die Wikingerzeit ausschließlich Geweih verwendet wurde. Ab dem Hochmittelalter (s. Schleswig) wurde dann vornehmlich Knochen verarbeitet. Da beide Orte nur zeitlich variieren aber am gleichen Ostseearm liegen, scheint dies auf einen Materialmangel zu deuten. Geweih hat den Vorteil, dass es wesentlich flexibler als Knochen ist. Aber Vorsicht: Nehmt am besten Abwurfstangen. Diese haben den Vorteil, dass die Blutgefäße im Geweih bereits abgestorben sind und das Geweih nicht zu weich ist. Es bekommt nach dem natürlichen Abwurf eine Zähigkeit, die das Geweih von gejagten Tieren nicht hat.

Wenn Ihr Geweih benutzen wollt und dabei so authentisch wie möglich sein wollt, dann solltet ihr entweder Rothirsch oder maximal Elch nehmen. Beide wurden nachweislich zur Kammherstellung genutzt, wobei Rothirsch eindeutig bevorzugt wurde. Damhirsch scheidet völlig aus. Der wurde erst im Spätmittelalter im nordeuropäischen Raum eingeführt und taucht im archäologischen Material der Wikingerzeit auch nicht auf.

Die benötigten Abwurfstangen zu besorgen ist über das Internet relativ leicht. Aber sehr teuer. Die Geweihstangen müssen nämlich einen Mindestdurchmesser von 6 cm haben. Ein solches Geweih kann ohne weiteres 80 Euro und mehr kosten. Deswegen ist es bereits aus Kostengründen zu überlegen, ob man hier nicht doch auf Knochen ausweichen möchte.

Aus diesem Grund sind die Beispiele dieser Anleitung für Knochen. Wenn man einmal vom Herausteilen der Platten aus dem Geweih absieht, ist der Herstellungsprozess derselbe.
 


Knochen

Wer wirklich alles selber machen möchte, sollte sich beim Schlachter Mittelfußknochen vom Rind besorgen. Hierbei ist es von kleinem Vorteil, wenn man das Hinterbein nimmt. Bei meinem Schlachter, kostet das um die 5 bis 6 Euro. Für einen Kamm braucht man in etwa zwei Stück. Für das dazugehörige Futteral nochmal ein bis zwei. Man ist für einen Kamm mit Futteral also bei der Knochenvariante mit etwa zwanzig Euro dabei.

Als erstes ist es nötig die Gelenkenden des Knochens abzusägen. Anschließend muss das Knochenmark entfernt werden. Dabei ist es jedem selbst überlassen, ob er das Mark aus der Knochenröhre entfernen möchte oder ob er bereits jetzt den Knochen zu Platten sägt. Ich persönlich bevorzuge es die Knochen bereits jetzt zuzusägen. Das Mark lässt sich einfach bedeutend leichter entfernen. Allerdings ist die Sauerei umso größer.

Anschließend sollte der Knochen ausgekocht werden. Man kann Seife oder Waschmittel in das Kochwasser tun, muss es aber nicht zwingend. Wichtig ist vor allem, dass man das Wasser von Zeit zu Zeit wechselt. Mit dem Waschmittel kann man den Knochen bereits beim Kochen bleichen. Aber je mehr Fett man aus dem Knochen entfernt, desto spröder wird er. Deswegen lasse ich den Knochen nach dem Auskochen ohne Zusatz lieber ein paar Wochen auf der Fensterbank von der Sonne bleichen.

Wer bereit ist etwas mehr Geld auszugeben (ca. 1-2 Euro pro Knochenplatte), kann sich die Sauerei, den Gestank und vor allem Zeit sparen. Bei AGIL (s. Links) kann man bereits fertige Knochenplatten kaufen. Noch leichter fällt es mit Knochenplatten, die man bei Matthias Barkmann (Vikingr-Kontor) kaufen kann. Die sind nämlich auch schon wirklich plan runtergeschliffen. Welchen Weg man letztendlich wählt ist für diese Anleitung letztendlich egal. Man spart lediglich Zeit (aber kein Geld).

 



Geweih:

Beim Geweih sind nicht alle Teile für alles an einem Kamm brauchbar. Dies ist vor allem dadurch begründet, dass ein Geweih nun mal leider nicht extra für einen Kamm gewachsen ist. Allgemein lässt sich sagen, dass die Griffplatten aus der Stange selbst gefertigt werden, die Zinkenplatten aus den Sprossen genommen werden.

Zunächst schneidet man einzelne Platten grob aus den jeweiligen Bereichen heraus. Hierzu sägt oder ritzt man zunächst die Form durch den äußeren festen Teil des Geweihs (Compacta) durch. Anschließend kann man das Plättchen vorsichtig mit einem Beitel vom porösen Kern (Spongiosa) lösen. Die grobe Form der Plättchen ist hierbei durch ihre spätere Verwendung im Kamm vorgegeben.



Knochen- /Geweihplatten:

Für die bessere Stabilität des Kamms ist es unbedingt nötig die Wuchsrichtung des Knochens bzw. Geweihs zu berücksichtigen. Ähnlich wie bei Holz ist die Stabilität parallel zur Längsrichtung auch hier am größten. Deswegen werden die Griffplatten der Länge nach aus dem Rohmaterial geschnitten. Die Zinkenplättchen hingegen so, dass die späteren Zinken parallel zur Längsrichtung sitzen. Klingt jetzt übel, aber das Bild machts hoffentlich klar. Beim Geweih ist allerdings zu beachten, dass die Sprossen jeweils einzeln gelten. Das heißt, die Sprossen haben ihre eigene Längsrichtung unabhängig von der Stange.


Fortsetzung folgt
Literatur:
K. Ambrosiani, Viking age combs, comb making and comb makers in the light of finds from Birka and Ribe. Stockholm Studies in Archaeology 2, Stockholm 1981
L. Flodin,

Kammakeri i Trondheim ca. 1000-1600: en kvantitativ analys av horn- och benmaterialet på Folkebibliotekets tomt. Meddelser fra prosjektet Fortiden i Trondheim bygrunn. Trondheim 1989.

W.-D. Tempel, Kämme aus Haithabu (Ausgrabung 1963-1964), in: Berichte über die Ausgrabungen in Haithabu 4 ,1970, 34-45.
W.-D. Tempel, Unterschiede zwischen den Formen der Dreilagenkämme in Skandinavien und auf den friesischen Wurten vom 8. bis 10. Jahrhundert. Archäologisches Korrespondenzblatt 2, 1972, 57-60.
W.-D. Tempel, Die Kämme aus der frühgeschichtlichen Wurt Elisenhof, in: H. Steuer, Die Keramik aus der frühgeschichtlichen Wurt Elisenhof. Frankfurt a.M. 1979.
I. Ulbricht, Die Verarbeitung von Knochen, Geweih und Horn im mittelalterlichen Schleswig, Ausgrabungen in Schleswig Bd.3. Neumünster 1985.
I. Ulbricht, Die Geweihverarbeitung in Haithabu. Die Ausgrabungen in Haithabu Bd.7, Neumünster 1978.
ders., Gewichte aus Haithabu. In: Berichte über die Ausgrabungen in Haithabu 6, Neumünster 1973, 9-22